Kleine Baugeschichte unserer Kirche

Planung und Bau

Es ist erfreulich, daß zur Planung einer der besten Architekten seinerzeit herangezogen wurde, Theodor Fischer, München (1862-1932), der von seinen Zeitgenossen als Befreier der Baukunst von der Nachahmung historischer Stile gefeiert worden war. Theodor Fischer hat neben der bekannten Erlöserkirche in München Schwabing eine Vielzahl von Kirchen in Bayern und Württemberg gebaut.

Wenn Theodor Fischer nach Auseinandersetzung mit dem örtlichen Architekten Tuffentsamer auch für den Kirchenbau nicht mehr als Architekt genannt werden wollte, so gehen städtebauliche Situierung und Bauentwurf eindeutig auf seine Einwirkung zurück.

Der erste Entwurf 1904 wurde für einen Bauplatz Ecke Beuerberger Straße / Josef-Schnellriederweg entwickelt, konnte aber wegen unklarer Grundstücksverhältnisse nicht realisiert werden.

Der schließlich gewählte Bauplatz auf den sogenannten Krautäckern an der Loisach in unmittelbarer Nachbarschaft zum alten Markt der Stadt hat sich auch aufgrund der inzwischen vollzogenen starken Ausweitung der Stadt auf dem östlichen Loisachufer im Nachhinein als idealer Standort erwiesen. Die Kirche und der alte Markt mit der katholischen Kirche St. Andreas sind direkt durch Sicht und Weg verbunden.

Welche Entwicklungsmöglichkeiten für das kirchengemeindliche Leben und die Beziehung zur Kommune und katholischen Bruderkirche aus dieser glücklichen Standortsituation weiterhin erwachsen können, ist an anderer Stelle näher auszuführen.

Für den Kirchenbau 1908/09 war neben dem Bezirkstechniker Tuffentsamer auch der Kunstmaler Hermann Neuhaus aus Wolfratshausen maßgeblich planerisch beteiligt, von dem auch die Ausmalung stammt. Für den Rohbau der Kirche war der Baumeister Lanzinger verantwortlich.

In einer außerordentlich kurz gerafften Bauzeit von nicht einmal 1 Jahr wurde die Kirche nach Grundsteinlegung im November 1908 am 9. September 1909 bereits eingeweiht.

Bildrechte beim Autor
Unsere Kirche

Unsere ursprüngliche Kirche, sowie sie sich 1909 darbot, hatte gewisse Anklänge an eine alte einfach gehaltene Dorfkirche der vorbarocken Zeit, sowie sie landauf, landab heute noch in Oberbayern weit verbreitet ist.

Details, wie der dekorative Stufengiebel des Turmes und das verschnörkelte Kreuz darauf, die abgeschleppten Dächer beiderseits des Turmes und vor allem der hohe Sockel der Kirche, der aus Gründen der Hochwassergefahr notwendig wurde, weist sie allerdings deutlich als Bauwerk des Übergangs vom 19. zum 20. Jahrhundert aus.

Mit dem Gemeindesaal-Anbau 1954 wurde zwangsläufig auch die Kirche außen und innen wesentlich verändert. Durch den Anbau entfielen die 4 Fenster auf der Ostseite, womit im Inneren natürlich auch der Tageslichteinfluß erheblich reduziert wurde.

Die Bauform der Kirche selbst erfährt dadurch ebenfalls eine Veränderung. Die ursprünglichen Anbauten beiderseits des Turmes wurden bis zum Kirchendach hochgezogen, wodurch der Kirchenbau insgesamt verlängert und günstiger proportioniert wirkt. Der Turm allerdings, der sich bis dahin deutlich als Bauteil heraushob, wird somit zu einer Art kräftigem Dachreiter.

Im Inneren zeigt der Grundriß der Kirche eine klare symmetrische Raumfolge, wie sie auch in alten Dorfkirchen im Prinzip vorkommt: kleiner Vorraum, nahezu quadratischer Kirchenraum mit optimaler Ausnutzung und Abschluß durch eine Apsis für den Altarbereich. Das besondere des Altarraumes besteht in dem durch kleine Fenster belichteten Chorumgang, der wiederum durch 4 romanisch historisierte Säulen und niedere Brüstung zum Altarbereich abgesetzt ist.

 

Bildrechte beim Autor
Die Belichtung des Chorumganges durch kleine Fenster war anscheinend durch die ausführenden Planer Tuffentsamer und Neuhaus nicht von Anfang an vorgesehen. Erst durch den "Baukunstausschuß" München unter Beratung von Friedrich Thiersch (Professor an der TH München 1897 - 1921) wurde dies angemahnt, wofür wir dankbar sein können, denn der Einfall des Sonnenlichtes durch die kleinen Fenster auf das Altarkreuz stellt ein besonders versöhnliches Element im Gottesdienst dar.

Das Zeitalter des Jugendstils, indem die Kirche erbaut wurde, dokumentiert sich am stärksten durch dekorative Elemente der gemalten und plastischen Bänder an den Seitenwänden des Kirchenraumes, an der Frontwand und in der Apsis. Von besonderem Reiz sind die dekorativ gestalteten Stirnseiten der Kirchenbänke und die Bearbeitung der Holzbrüstung der Orgelempore in ihrer verhaltenen Ausformung.

Die nahezu voll ausgemalte Frontwand mit den Darstellungen der Bergpredigt rechts und des Gichtbrüchigen links über der Kanzel, den Köpfen der 4 Evangelisten und der Reformatoren Luther und Melanchthon und darüber dem äußerst bewegten Bild des Jüngsten Gerichtes wurde in den sechziger Jahren auf Veranlassung des Kirchenvorstandes unter Pfarrer Dr. Rothgangel und unter der Beratung von Architekt Wirth, München, beseitigt. Auch der Altar mit dem hochaufragenden Altarbild des auferstandenen Christus wurde in dem Zusammenhang aus dem Chor herausgenommen. (Das Bild ist seitdem im Heimatmuseum zu besichtigen.)

Wenn diese radikale Renovierung seinerzeit von vielen Gemeindegliedern auch sehr kritisch gesehen wurde, so hat die Raumwirkung der Kirche und besonders die des Chores mit seinem eindrucksvollen Säulenkranz sicherlich dadurch gewonnen.

Umgestaltung 1998

Inzwischen hat das Verständnis und Bewußtsein für Denkmalschutz stark zugenommen und umfaßt auch Bauten und Kunstwerke der Jahrhundertwende.

Auf Anregung des Landesamtes für Denkmalspflege wurde deshalb überprüft, ob aus den alten Befunden einige dekorative Elemente zur Verdeutlichung der Geschichte der Kirche wieder sichtbar werden sollten. Das schien dem Kirchenvorstand ein legitimes Anliegen, zumal – was denkmalspflegerische Bewertung betrifft – sich auch unter Laien inzwischen ein Sinneswandel vollzogen hat.

 

Bildrechte beim Autor
So wurden auf Anregung des Kirchenmalers Hans Pfister, Heinrichshofen, die alten Bänder im Kirchenraum wieder sichtbar gemacht und aufgrund der Befunde in der Apsis auch die Sandsteinfarbe mit den mäandrierenden Band wieder freigelegt und ergänzt. Die mögliche Freilegung des Auges Gottes war ein langwieriger Diskussionspunkt im Kirchenvorstand, wurde aber schließlich abschlägig entschieden, weil durch einige Mitglieder des Kirchenvorstands die Ansicht vertreten wurde, dies Element passe nicht mehr in die heutige Zeit, weil es "ständige Beobachtung" suggeriere. Den wesentlichen Gestaltungsansatz der jetzt durchgeführten Renovierung bildete die Heilung der "Wunde", die durch den Anbau des Gemeindesaales 1954 in den Kirchenraum gerissen wurde.

Architekt Franz Lichtblau München hat hierzu die entscheidende Idee entwickelt, den Übergang von Kirche zu Gemeindesaal völlig neu zu gestalten. Der in den Kirchenraum balkonartig hereinragende Anschluß des Gemeindesaals und die unschöne große Glastüre wurde herausgenommen, die Verbindungstreppe Kirche - Gemeindesaal zurückverlegt. Damit wurde der alte rechteckige Kirchenraum wieder voll räumlich erfaßbar und funktionell nutzbar. Die zurückgenommene kleine Empore zum Gemeindesaal nimmt durch bescheidene Holzsäulengliederung und dekorative rundbogige Bänderführung Bezug zur Fenstergliederung der Westwand. Die neue, zurückhaltend gestaltete Holzfaltwand bildet einen angemessenen Abschluß zum Gemeindesaal, der wie früher für Festgottesdienste einbezogen werden kann.

Eine ausgiebige Diskussion erfolgte zur Situierung des Taufbeckens. Während in der ursprünglichen Zuordnung von Kirchenraum und Chor , um den liturgischen Bezug zu verdeutlichen, der Taufstein zentral vor dem Altar stand, sollte der Taufstein jetzt seinen Standort seitlich vor dem Bild der Bergpredigt behalten. Da die bisherige Situation sehr beengt war, wurde hier jedoch durch Entfernung einer Bankreihe eine deutliche Aufwertung des Taufbereiches erreicht. Aus Gründen der Symmetrie wurde ebenfalls vor der Kanzel eine Bankreihe herausgenommen, wodurch insgesamt mehr Freiraum auch für besondere Veranstaltungen vor dem Altar geschaffen wurde.

Im Rahmen der teilweise neuen Sitzanordnung im Kirchenraum waren zwangsläufig Veränderungen und Ergänzungen des Keramikbodenbelages notwendig. Durch sorgfältig extra ausgeführte Ergänzungsdetails ist hier kaum ein Gestaltungsbruch zu erkennen, was für den Einsatz von Architekt und Handwerkern spricht.

Resumée

Daß nach vielen Baustellenquerelen und Überraschungen, die eine grundsätzliche Renovierung und Umgestaltung einer Kirche zwangsläufig mit sich bringt, alles zur Zufriedenheit ausgefallen ist, ist insbesondere unseren beiden Pfarrerinnen Gundula Berner und Kirsten Jörgensen zu verdanken, die in unermüdlichem Einsatz auf Baustelle und am Telefon tätig waren. Das muß zum Abschluß der Bauarbeiten deutlich herausgestellt werden.

Walter Blendermann