Predigt von Pfr. Weber zum Kriegsende

Nach dem Feind-Einmarsch in Wolfratshausen
am 30. April 1945

Aus der Predigt
am Sonntag Rogate
am 6.05.1945

Schweres und Schreckliches haben wir seit unserem letzten Gottesdienst erlebt. In den kurzen Tagen einer Woche haben wir persönlich von der Furchtbarkeit des Krieges mehr zu spüren bekommen als in allen Kriegsjahren zusammen..

Und doch waren auch für uns diese Jahre gar hart und schwer. Was wir insbesondere durch die Bedrohung aus der Luft mitgemacht haben, wird uns zeitlebens unvergeßlich sein: von Jahr zu Jahr und schließlich von Woche zu Woche steigerten sich die Luftangriffe zu einer zuletzt kaum ertragbaren Schrecklichkeit.. Und siehe! Unser Isartal vor dem so zermarterten München und zumal unser Wolfratshausen mit seiner nächsten Umgebung, die uns oftmals besonders gefährdet erschien, sind durch alle die Schrecken hindurch nahezu ganz vor ernster Zerstörung bewahrt geblieben!

Das ist das erste Wunder der gnädigen Behütung
durch unseren Gott.
Dafür danken wir Ihm heute aus Herzensgrund!

Aber dann ist freilich der Krieg in seiner Furchtbarkeit und Härte auch zu uns gekommen.

Das Elend hub an mit den Elends-Zügen, die an jenem Samstag von 8 Tagen an unseren Häusern und Augen vorübergezogen sind. - Wir hatten schon lange Kenntnis von diesem K-Z-Elend. Aber wir wußten davon doch nur vom Hören-Sagen, im allgemeinen; und wir sind darüber schon immer traurig, sehr traurig gewesen - und ohnmächtig… Aber was wir nun davon mit unseren Augen sehen mussten, das erschütterte uns alle zu tiefst: wie Menschen an sich selber und an anderen Menschen „das Ebenbild Gottes“, das doch ein jeder Mensch an sich trägt, so sehr verunehren konnten! In welche Tiefen doch Menschen hinab sinken können! .. Nun sind Tausende von jenen Armen - unter ihnen auch viele schlechte und wilde Menschen - bei uns geblieben, als ein zusätzlicher Schrecken in dieser Schreckenszeit..

Denn noch ehe sie ihren befohlenen Elends-Marsch haben fortsetzen können, kam der siegreiche Feind.
Dass er kommen werde, das konnte schon lange, lange keinem Einsichtigen mehr zweifelhaft sein. Nur davor war uns bange, wie einmal bei uns hier die letzten Kriegs-Ereignisse ablaufen würden..

Nun schauen wir auf diese Woche der Entscheidung heute zurück. Noch bebt uns das Herz in Erregung und in tiefer Traurigkeit. Denn Bitteres und Bitterstes haben wir erlebt.
Zuerst durch die sinnlose und gewissenlose
                                     Sprengung der oberen Loisach-Brücke.
Dadurch sind in dem oberen und mittleren Marktteil gar große und teilweise sehr schlimme Schäden angerichtet worden.

Sodann durch die zeitweise
                                        Aufhebung aller äusseren Ordnung.
Dadurch kam es (und kommt es noch immer) zu schwerem Raub und Einbruch und schlimmsten Plünderungen, durch den ortsfremden und fremdländischen Pöbel. Wir flehen zu unserem Gott, dass ER mit seinem starken Arm diesem jammervollen Elend doch bald ein gnädiges Ende setzen möge! ..

Aber unter welcher n o c h  s c h l i m m e r e n  B e d r o h u n g sind wir gestanden!
Wie nahe lag die Möglichkeit einer militärischen Verteidigung unseres Marktes! Dadurch aber würden nicht nur unsere Häuser und Behausungen in Schutt und Asche gelegt worden sein, sondern es würden uns dazu wohl auch noch blutige Opfer abgefordert worden sein..

Nun aber ist in letzter Stunde doch eine friedliche Übergabe erfolgt und der siegreiche Feind ist am Montagabend in unsere sonst unversehrte Heimat eingezogen! Und wir müssen nicht vor rauchenden Trümmern klagen!

Das ist das andere Wunder der gnädigen Behütung
durch unseren Gott!
Dafür danken wir IHM heute aus Herzensgrund!

Dazu kommt noch ein drittes Wunder seiner Gnade:
das ist die wunderbare Bewahrung seines Hauses unter uns,
unserer lieben Kirche!

Als ich in der 7. Abendstunde das Montag, nach der 2. starken Detonation und gerade im Augenblick der Ankunft der feindlichen Panzerspitzen, mit traurigem Herzen zu unserer vermeintlich zerstörten Kirche eilte, an der gesprengten oberen Brücke und an ihrer verwüsteten Umgebung vorbei, und als ich dann die Loisach entlang bange Ausschau hielt nach den Trümmern der unteren Brücke und unserer ihr ja so nahe gelegenen Kirche - da sah ich aus der Ferne die Brücke unversehrt! und alsbald grüsste mich, wie ein gnädiger Gottesgruß, unser liebes Gotteshaus, fast ohne Schäden!

Ihr wisst es ja alle, wie es sich im entscheidenden Augenblick nur um Bruchteile von Minuten gehandelt hat - und auch die andere Brücke wäre von verantwortungslosen Elementen noch geopfert worden. Und weil die dort vorbereitete Sprengladung noch grösser gewesen ist, so wäre dadurch unser anderer Marktteil und eben auch unsere Kirche noch weit schlimmer verwüstet worden ...

Dass dieses alles nun so gnädig abgewendet worden ist; dass unsere Kirche uns behütet blieb; dass sie uns aufs neue geschenkt worden ist; dass wir uns heute wieder in ihr unter unseres Gottes Wort versammeln dürfen:
                                       dafür preisen wir Gottes Barmherzigkeit!   

 


 

Auszug einer Predigt des evang. Pfarrers Georg Weber, Wolfratshausen
(aus den Beständen des Historischen Vereins Wolfratshausen)